Dr. Anemone Bippes: Vier zentrale Maßnahmen für mehr Wohnraum

Im Kampf gegen den Wohnraummangel bringen die Grünen Enteignungen in die politische Diskussion. „Enteignungen sind der falsche Weg. Wer enteignet, der muss auch entschädigen. Neuen Wohnraum hat man damit noch nicht geschaffen. Es gibt jedoch interessante Konzepte, die endlich in Angriff genommen werden sollten, um den angespannten Wohnungsmarkt auch in Baden-Baden zu entlasten “, meint Dr. Anemone Bippes, Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Baden-Baden / Rastatt.

Nach Schätzungen des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB) wurden 2018 rund 300.000 Wohnungen neu gebaut – nach 284.800 Wohnungen 2017. Für 2019 wird mit bestenfalls 315.000 bis 320.000 Wohnungen gerechnet. Die Zahl fehlender Wohnungen wird damit immer größer, Schätzungen zufolge sind es inzwischen mindestens eine Million fehlende Wohnungen, vor allem in den Ballungsgebieten.

Eine Auswahl von vier zentralen Maßnahmen für mehr bezahlbaren Wohnraum:

1. Bauland bereitstellen und schneller genehmigen
Bauland ist die Grundvoraussetzung für den Wohnungsbau. Wir müssen baureife Grundstücke und Liegenschaften identifizieren, bereitstellen und bevorzugt über eine beschleunigte Konzeptvergabe veräußern. Dazu zählen nicht nur kommunale Baugrundstücke, sondern auch Baugrundstücke des Bundes. Auch nicht mehr benötigte Gewerbebranchen müssen in den Fokus der Stadtentwicklung rücken. Völlig richtig ist, dass Gewerbeflächen wie Autohäuser, aber auch Bauhöfe, Flächen der Verkehrsbetriebe in Industriegebiete verlegt werden. Hier sehe ich Baden-Baden auf einem sehr guten Weg. Auf den frei gewordenen Flächen kann dann durch die GSE günstiger Wohnraum entstehen, der direkt vermarktet wird, damit er nicht zum Spekulationsobjekt wird.

2. Aufstockungen, Verdichtungen und Umwandlungen
Sofern das Stadtbild nicht gefährdet ist, sollte verdichtet werden. Häuser im Innenstadtbereich, die auf Grundstücken stehen, die teilweise hektargroß sind, passen nicht in die Zeit. Verdichtung kann gelingen. Hier gibt es sehr gute Beispiele. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW schätzt, dass durch Aufstockung, Verdichtung und Umwandlungen bis zu 2,7 Millionen Wohnungen in Deutschland entstehen und für eine Entspannung des Wohnungsmarktes in dicht besiedelten Regionen sorgen könnten. Das würde vor allem auch den Flächenverbrauch minimieren. Die riesengroßen Grundstücke sind aus einer Zeit, als Flächen nahezu grenzenlos zur Verfügung standen.

3. Auflagen auf den Prüfstand
Bauvorschriften, Normen und Auflagen müssen jedoch auf den Prüfstand. Vor allem der Brandschutz stellt oftmals ein Hindernis dar. Hier ist mutige, weitsichtige und engagierte Kommunalpolitik gefragt. Durch Dachaufstockungen und Dachausbauten kann sich die Gebäudeklasse eines Objekts verändern. Dadurch erhöhten sich in unterschiedlichen Bereichen die Auflagen, wie die Brandschutzanforderungen an verwendete Materialien oder auch die Anforderungen an Fluchtwege. Diese erhöhten Anforderungen verursachten hohe Mehrkosten, die Wohnraum verteuern.

Hamburg ist hier mit gutem Beispiel vorangegangen. Mit einer Änderung der Bauordnung wurden einige Bremsklötze beiseite geräumt. So wird bei Ausbauten und Aufstockungen kein Nachweis weiterer Stellplätze verlangt, da die Stellplatzverordnung ausgesetzt worden sei. Zudem kann die Aufstockung in Holzbauweise erfolgen und bis zum fünften Stockwerk sei der Einbau eines Aufzugs nicht mehr zwingend vorgeschrieben.

4. Günstiger Bauen
In Deutschland gibt es inzwischen mehr als 20.000 Bauvorschriften, Normen und andere Anforderungen, die beim Hochbau beachtet werden müssen. Das Dickicht an Vorschriften kostet Geld. Deshalb müssen alle Anforderungen an das Bauen, ob gesetzliche oder technische Normen, auf den Prüfstand und einer Kostenberechnung unterzogen werden. Wer immer die höchste Qualität verlangt – inklusive Dreifachverglasung, der kann keinen günstigen Wohnraum realisieren. Wir müssen uns von einigen der europaweit höchsten Standards verabschieden. Günstigen Wohnraum schaffen wir auch, indem wir zunehmend
serielle und standardisiert bauen. Dieser muss gefördert werden.

Foto: Privat