Dr. Anemone Bippes: Wir brauchen dringend bezahlbare Wohnungen!

„Wir sollten aus Freiburg Lehren ziehen – wir müssen sehr viel mehr Wohnraum für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen schaffen“

„Wir sollten aus Freiburg Lehren ziehen – wir müssen sehr viel mehr Wohnraum für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen schaffen“, fordert Dr. Anemone Bippes, Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung (MIT) Baden-Baden / Rastatt. Wie jeder Markt unterliege auch der Wohnungsmarkt eigenen Gesetzen. „Hier begegnen sich Angebot und Nachfrage der Ware Wohnung. Auf dem Markt entscheidet sich, wer wo und wie wohnt. Der Wohnungsmarkt ist aber nicht nur rein mikroökonomisch zu betrachten, auch Stadtsoziologen, Geografen und Kommunalpolitiker müssen sich mit sozialräumlichen Strukturen befassen“, so Anemone Bippes.

„Wird zu wenig Wohnraum geschaffen, explodieren die Preise“

„Wird zu wenig Wohnraum geschaffen, explodieren die Preise. Verkauft der öffentliche Sektor zu hohen Preisen Grundstücke an Entwicklungsgesellschaften und Investoren, schnellen die Preise ebenfalls in die Höhe. So geschehen in Freiburg, wo ausgerechnet die Politik eines Grünen Oberbürgermeisters die Preise für Immobilien massiv nach oben getrieben hat. Es kann nicht im Interesse von politisch Verantwortlichen sein, dass sich die Menschen arm wohnen. Aber genau das droht vielen im Südwesten Deutschlands. Kommunalpolitisch Verantwortliche müsse aus Freiburg Lehren ziehen“, meint Dr. Anemone Bippes.

Anemone Bippes sieht den Wohnungsmarkt auch in der Region Mittelbaden vor einer „Jahrhundertaufgabe“. Laut einer aktuellen Studie der L-Bank wächst die Zahl der Haushalte in Baden-Württemberg bis 2040 um 600.000. „Und es muss bezahlbarer Wohnraum sein, der in den kommenden Jahren geschaffen werden muss. Unser Wirtschaftsstandort und der soziale Frieden stehen gleichermaßen auf dem Spiel, wenn uns das nicht gelingt“, stellt Dr. Bippes fest.

Baukindergeld ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung

Neben der steigenden Nachfrage und Preistreibereien, die auch von der öffentlichen Hand selbst verursacht werden, steigen die Kosten für Bauleistungen derzeit rasant an. „Die hohe Nachfrage, das knappe Personal und die strengen Vorschriften des Gesetzgebers lassen die Kosten fürs Bauen immer weiter steigen. Allein das sogenannte „Erdmanagement“ hat schon unzähligen Bauherrn einen Strich durch die Kalkulation gemacht. Für Aushub, Laboruntersuchungen, Abtransport und Deponiekosten fallen in Baden-Baden bei einem ganz normalen Einfamilienhaus schnell 30.000 bis 35.000 Euro an. Vorausgesetzt allerdings, beim Aushub handelt es sich um unbedenkliches Material. Oft muss nicht nur in Baden-Württemberg Aushub weit gefahren werden, weil Deponien fehlen. Steigende Preise, ausufernde Kosten ziehen sich durch alle Gewerke. Auch stecken immer neue gesetzliche Vorgaben, Normen und Energievorschriften hinter den steigenden Preisen. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, denn Bauen muss wieder günstiger und effizienter werden. Wir brauchen auch schnellere und einfachere Planungs- und Genehmigungsverfahren, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Das neue Baukindergeld ist hier ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, meint Dr. Anemone Bippes.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat jetzt in einem Video-Podcast erklärt, dass sie in den nächsten vier Jahren für 1,5 Millionen neue Wohnungen und Eigenheime sorgen will. Das sei, so Angela Merkel, „dringend notwendig“. Die Bundesregierung werde dafür sechs Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Insbesondere will die Kanzlerin bezahlbaren Wohnraum fördern. Familien, so die Bundeskanzlerin, sollten sich nicht zwischen Wohneigentum oder Kindern entscheiden müssen.
Zur Studie der L-Bank: Von 2011 bis 2015 hat die Bevölkerung im Südwesten um 370.000 Menschen zugenommen – ein Plus von 3,5 Prozent. Mehr als in Bayern oder Hessen. Die Zahl der Beschäftigten stieg in fünf Jahren um 355.000. Weit mehr Arbeitsplätze als im Schnitt entstanden in den Landkreisen Karlsruhe, Heilbronn, Ludwigsburg, Tuttlingen, dem Hohenlohekreis und der Stadt Stuttgart. Dazu kommt: Die Zahl der Haushalte wächst mit 5 Prozent rascher, da mehr Menschen allein leben. Die Zunahme an Neubürgern ist nahezu flächendeckend, wobei Stuttgart mit seinen Nachbarkreisen allein 100.000 Zuzügler aufgenommen hat. An Bevölkerung stärker zugelegt als im Durchschnitt haben auch die Ober- und Mittelzentren mit 5 und 4 Prozent.
Derzeit fehlen im Land 88.000 Wohnungen. Allein in den neun Stadtkreisen klafft eine Lücke von 38.000 Wohnungen. Aber auch in den Landkreisen Konstanz, Tübingen, Ravensburg, Böblingen, Calw, Karlsruhe, Heilbronn, dem Rems-Murr- und Ostalbkreis hätten im vierstelligen Bereich Behausungen errichtet werden müssen, um den Bedarf zu decken.

„Wohnungsmarkt in Baden-Baden kann die neuen Wohnungen sehr gut verkraften“

„Eine Studie des Wirtschaftsministeriums in Baden-Württemberg, die im Oktober 2017 vorgestellt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass 82 Prozent der Gemeinden im Land in die Kategorie der „wachsenden bzw. überdurchschnittlich wachsenden Gemeinden“ zählen. Für Baden-Baden gibt es weitere deutliche Hinweise – so fehlen im Stadtkreis und im Landkreis Karlsruhe aktuell rund 10.000 Wohnungen. Diese Entwicklung macht den Druck deutlich, dem der Wohnungsmarkt in der Kurstadt zusätzlich ausgesetzt ist. Die wirtschaftlich starke Region Mittelbaden ist besonders vom Wohnungsmangel betroffen. Jetzt gilt es, Fehler zu vermeiden. Mit der Cité wurde in Baden-Baden ein neuer Stadtteil geschaffen, in dem viele Familien mit Kindern ein neues Zuhause gefunden haben. Das Quartier ist eine Frischzellenkur für die Kurstadt. Es gibt gute Beispiele, wie auch heute bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird – beispielsweise im Baugebiet Bretagne / Cité. Der große Zuspruch zeigt aber, dass die Nachfrage weitaus größer als das Angebot ist. Bedeutende Wohnbauprojekte befinden sich derzeit in Planung. Dazu zählen das Vincentius-Areal und das Projekt „Wohnen am Tannenhof“ auf dem vom SWR verkauften Gelände. Allein dort sollen 383 Wohneinheiten entstehen. Weitere folgen hoffentlich in allen Stadtteilen und Gemeinden in und um Baden-Baden. Die Planung neuer Wohneinheiten endet nicht an der Kreisgrenze, sondern muss großen Räumen gesehen werden. Günstigen Wohnraum wird man in Sandweier, Bühlertal oder Weisenbach eher realisieren können als in der Innenstadt von Baden-Baden. Ich meine, dass der Wohnungsmarkt in Baden-Baden die neuen Wohnungen sehr gut verkraften kann. Und ich bin gespannt, welche Preise für die Wohnungen aufgerufen werden. Freiburger Verhältnisse drohen uns, wenn sich am Ende nur das Klientel „50 Plus und Kinderlos“ die schönen neuen Wohnungen leisten kann“, meint Dr. Anemone Bippes.

 

Foto: Privat